Eva Maria Franziska Paredes, gestorben am 5.September 2017 ein Nachruf
Es war Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts, ca.1981, als ich vierzehnjährig in Neumünsters bekannter Stammkneipe Postkeller, mit einem gleichaltrigen Freund saß, wir wurden mittlerer Weile vom Wirt geduldet und tranken möglichst Bier, als eine Frau an unserem Tisch Platz nahm und uns freundlich aber mit so einem Geradeausblick ansprach, dass sie ohne Probleme unsere etwas pubertäre, aber ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. Sie mochte vielleicht Anfang dreißig sein, hatte etwas dünnes, fusseliges Haar, eher schlicht improvisierte Kleidung und machte uns den Vorschlag, uns ihre Geschichte zu erzählen, wenn wir bereit wären, ihr einen Kaffee zu spendieren. Über alle möglichen Leute machten wir uns lustig, aber diese offene Ansprache bewirkte Respekt und Neugierde , der Kaffee wäre eh gegangen.
Franziska erzählte uns die Geschichte Ihrer Frauwerdung; ich hatte schon einen leichten Bartwuchs bemerkt, der sie nicht zu stören schien. Wir waren völlig verblüfft von diesem vertrauensvollem outing im smalltalk-Stil und mich beeindruckte ihr hartnäckig errungener Weg, der ihr sowohl körperlich, im mitmenschlichem Umfeld und materiell große Opfer abzuverlangen schien. Mit offenen Mündern müssen wir ihr, jung und sexblöd, zugehört haben. Leider habe ich kaum noch Details ihrer Erzählung in Erinnerung, aber diese so sachlich und beharrlich mit ihrer doch weichen-weiblichen Stimme vorgetragene Geschlechtsumwandlungsodyssee vom Mann zur Frau blieb mir lange Zeit präsent obwohl diese meine einzige Unterhaltung mit ihr gewesen war und eine anhaltende Sensibilität für dieses Thema in mir schuf und das Anfang der Achtziger; Chapeau Franziska!
Nun begab es sich jüngst sechsunddreißig Jahre später, Mitte Oktober, dass ich in Hamburg an den Elbbrücken auf die Geburtstagsfeier eines guten Freundes eingeladen war, die ich nicht verpassen wollte, nicht zuletzt wegen der Fähigkeit dieses bunten Katers, immer noch mühelos einen Haufen interessante, ich meine echte Personen aufeinander loszulassen und allein dieses Begegnen schon Eventcharakter besitzt, außerdem wollte ich auch die pseudoberühmte Installation der Toilette von Gudrun Ensslin aus Stammheim in dem Speditionscontainerarrangement begutachten, Waschbecken und Klo ohne Brille aus VA-Stahl, erschütternd authentisch, in dessen Betrachtung man sich voyeurhaft ertappt, überlegend, ob man dies Klo benutzen dürfe, und sich dann, auf eine konstruiert-intime Solidarität berufend, sakrosankt erleichtert.
Es erschien kurz nach meinem Sonnenuntergang eine kleine, wohl betagte Person mit einem leicht exotischem touch, fein lächelnd, in Begleitung einer mir sympathisch-bekannten Frau aus dem Karoviertel und wir smalltalkten unterhaltsam, ich aufs nervöseste, denn es gab noch so viel zu erleben, zu konsumieren und zu tanzen. Dennoch machte die kleine Person einen so bleibenden Eindruck auf mich, dass ich, bestimmt eine gute Stunde später, von meinem löchrigen Gedächtnis, das wie ein Jahrmarktskarussell an der richtigen Stelle anzuhalten schien, gestoßen wurde, zu dieser Person zurückzukehren, sie etwas verlegen fragend, ob sie, in den frühen achtziger Jahren in Neumünster gewesen sei. Nickend wurde sie von mir schon halb umarmt, ich drückte nur noch das Wort Postkeller? heraus, sie staunte, nickte, ich staunte noch mehr und freute mich einfach riesig, dass ich zu allem oberflächlichem Partyglück sie, Franziska, wiederentdeckt hatte. Nach der Aufklärung meinerseits lachten wir und umarmten uns, zugegeben, ich eher sie, aber ich vernahm ihre Freude darüber eindeutig und freute mich darüber noch mehr, etwa wie vierzehnjährig. Wir tanzten etwas gemeinsam zu guten beats, ich war geflashed. Später sah ich sie dann an der Tanzfläche auf einer Bank liegen. Besorgt stellte ich fest, dass sie sich, erstaunlich zufrieden Auskunft gebend, ausruhte, ja schlafen wollte, und so ließen wir ihr die von ihr gewählte Ruhe. Ich erfuhr von der sie begleitenden Bekannten, dass Franziska zur Zeit obdachlos sei, schon seit Jahren ihr Wohnen erstaunlich würdig improvisierte, aber nun habe es einen Engpass gegeben, auch in der Hafenstraße habe man ihr, obwohl sie dort aus den Anfängen der Hausbesetzungen einen Namen hatte, nicht weiter Obdach gewähren können oder wollen, genaue Informationen habe ich darüber aber nicht erhalten und so soll dies kein Vorwurf beinhalten.
Nach einigem Hin und Her soll sie im Schröderstift bei einem alten Freund aus der Szene untergekommen sein, der das Herz an der richtigen Stelle hatte, ich vermute ganz stark : links, und Franziska auf ihrem letzten Weg ein würdiges Dach über dem Kopf, ja und Gerüchten zu Folge auch eine Badewanne bieten konnte, in der sie meinen Informationen zu Folge überraschend aber friedlich am 5.September starb.
Da Franziska an vielen Orten der linken Szene im weitesten Sinne bekannt war, gab es am 8.Oktober dann in der Jupi-bar im Gängeviertel eine Gedenkveranstaltung mit etwas Kuchen und Getränken, sehr nett und offen gehalten. Den dort ausgestellten Flyer hänge ich Euch an, Ihr könnt ihm weitere interessante Informationen über Franziska entnehmen.
Mit diesem Text möchte ich dazu beitragen, dass sich auch im digitalen Raum an Franziska erinnert werden kann. Come over Franziska, resting in peace, freedom & love !
P.S. : Wenn jemand diesen Beitrag durch Informationen ergänzen oder korrigieren möchte, bin ich gern bereit, dieses hier im blog zu veröffentlichen.